Im Auftrag des Bernischen Historischen Museums und in Zusammenarbeit mit dem Atelier d’Ici des Living Rooms Bern wurde eine rassismuskritsche Intervention gestaltet.
Diese Intervention nimmt die Ausräumung der Dauerausstellung des Bernischen Historischen Museums, die unter dem Titel “Kulturen in Asien und Ozeanien” lief, zum Anlass, um über die kolonialen Verflechtungen der Schweiz und die Rolle von Museen in der Aufrechterhaltung von kolonialer Gewalt und rassistischen Stereotypen nachzudenken; aber auch, wie Museen zu Orten von gesellschaftlicher Umwälzung und Kritik werden können oder nicht.
Als Raum für die Intervention wurden die Räumlichkeiten der vormaligen Dauerstellung zu Asien und Ozeanien des Bernischen Historischen Museums zwischen Juni und November 2023 genutzt, worin mehrere Jahrzehnte lang Objekte aus der ethnographischen Sammlung des Bernischen Historischen Museums ausgestellt wurden. In denselben Räumlichkeiten findet im 2024 die Ausstellung aus dem Projekt «Das Wandbild muss weg!» statt. Das Projekt «Das Wandbild muss weg!» ist ein transdisziplinärer Beitrag für eine gesellschaftsübergreifende Debatte zum schweizerischen Kulturerbe der Kolonialzeit.
Die Intervention umfasst eine Installation bestehend aus einem dreiteiligen Film, der in einem Raum gezeigt wird, der - soweit es die Räumlichkeiten und Prozesse des Museums erlauben - zum Verweilen, Diskutieren und Nachdenken anregt. Besucher*innen der Installation werden eingeladen, sich den Film als Ganzes oder in seinen Einzelteilen auf den Bildschirmen oder mit dem Ipad, einmal oder mehrmals, alleine oder gemeinsam mit anderen Besucher*innen anzuschauen und - unmittelbar oder später - sich über koloniale Verflechtungen, Rassismus und die Zukunft von Museen auszutauschen.
Audio: Deutsch (Schweizerdeutsch), Englisch, Indonesisch
Untertitel:
Deutsch (Schweizerdeutsch), Englisch, Indonesisch
Der Film enthält Darstellungen kolonialer Gewalt. Leider ist die Wiedergabe einiger Darstellungen notwendig, um das Gesagte zu illustrieren. Gleichzeitig versucht der Film diesen Ästhetiken der Gewalt zu begegnen, z.B. durch das Übermalen mit blauer Farbe.
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Der Film stellt die Stimmen von Menschen mit Bezug zu “Asien/Ozeanien” in den Vordergrund, um darüber zu reflektieren wer, wessen Geschichte wie erzählt und wie dieses Narrativ den heutigen Alltag von Menschen in oder aus “Asien/Ozeanien” sowie auch von Menschen, die als “anders” wahrgenommen werden, prägt. Die Stimmen decken ein breites Spektrum von Museumsfachleuten und Kunst-, Kultur- und Geschichtsexpert*innen und -interessierten bis hin zu Aktivist*innen und Künstler*innen und Bürger*innen ab. Die Ausstellung “Kulturen in Asien und Ozeanien” des Bernischen Historischen Museums steht stellvertretend für den aktuellen Umgang mit ethnographischen Artefakten im Westen, um generell über Repräsentation zu sprechen. Die Aussagen im Film nehmen nicht immer einen direkten Bezug darauf.
Ein spezieller Fokus wird auf die Perspektiven von
Menschen in und aus Indonesien gelegt, um einerseits deren Vielfältigkeit
aufzuzeigen und andererseits bestimmte Fragen fokussiert zu vertiefen. So wird
im Film die Darstellung von Wayang Kulit (beschrieben als Schattenspielfiguren)
aus der Perspektive von Menschen diskutiert, die zu diesen Objekten aus ihrer
Biografie heraus ein Alltagswissen mitbringen.
Das Atelier d’Ici erhielt ein Mandat des Bernischen Historischen Museums für die Dokumentation der Ausräumung der Dauerausstellung mit dem Titel “Kulturen in Asien und Ozeanien” sowie die Gestaltung einer Intervention dazu in Form einer Carte Blanche.
Die Dokumentation wurde Sommer bis Winter 2022 durchgeführt und liegt in Form eines Videos dem Bernischen Historischen Museum vor. Für die Intervention definierte das Atelier d’Ici das Ziel, dem Museum einen Denkanstoss zu geben, um die Museumsarbeit im Umgang mit Objekten aus ihrer ethnographischen Sammlung bzw. Ausstellung neu zu denken, die Repräsentationen des “globalen Südens” von einem kolonialen Narrativ wegzubewegen, gegenwärtige ungleiche Machtverhältnisse herauszufordern und sich für eine gerechtere Welt einzusetzen.
Um dieses Ziel zu erreichen, wurden die Perspektiven von Menschen gesammelt, die normalerweise zu dieser Thematik nicht zu Wort kommen, ungehört sind oder unsichtbar bleiben. Insbesondere interessierte auch die Perspektive von Menschen, die sich nicht als Museumsbesucher*innen betrachten, um möglichen Ausschlussmechanismen nachzugehen, die ansonsten nicht sichtbar werden.
Aus dem gewonnenen Material kristallisierten sich bestimmte Botschaften und Geschichten heraus. Interviewausschnitte, die einen oftmals wiederholten Punkt besonders pointiert, ausführlich oder gut nachvollziehbar wiedergeben, wurden ausgewählt und mit Sequenzen angereichert, die diese Aussagen kontextualisieren. Für ein besseres Verständnis wurde das geschnittene Material nachträglich in drei Teile und in Kapitel unterteilt, mit Titeln versehen, Aussagen mit Hilfe von Sekundärmaterial visuell angereichert und in 3 Sprachen untertitelt.
Zum Interview eingeladen wurden in der Schweiz lebende Menschen mit Wurzeln in “Asien/Ozeanien” (mit speziellem Fokus auf Indonesien), in Indonesien lebende Menschen sowie in der Schweiz lebende Menschen mit Bezug zu Museumsarbeit oder zum Thema Dekolonialisierung bzw. Postkolonialismus. Es wurde auf eine vielfältige Zusammensetzung der Perspektiven geachtet, insbesondere in Bezug auf Alter (Millennial bis Gen X), Migrationsbiografie (keine, erste, zweite, dritte Generation der Zuwanderung), Nähe zum Museum (Museumsfachleute, -begeisterte, -interessierte bis hin zu Nicht-Museumsbesucher*innen), Beruf, Aktivismus und Bildungsstand, Nähe zu den Themen Geschichte, Kunst und Kultur.
Die Rekrutierung fand im Februar 2023 statt. Im März 2023 wurden insgesamt Interviews mit 18 Personen durchgeführt. 14 Interviews wurden mit in der Schweiz lebenden Personen geführt. Die Interviews wurden im Living Room in Bern durchgeführt. 4 Personen sind nicht in der Schweiz wohnhaft. Eine Person lebt auf Bali, eine in Jakarta, zwei Personen pendeln zwischen Indonesien und England hin und her. Diese Interviews fanden per Zoom-Call statt.
Die Interviews dauerten zwischen ca. 30-60 Minuten und wurden audiovisuell aufgenommen. Den Interviewteilnehmenden wurde im Vorab Ausschnitte aus dem Dokumentationsvideo zur Ausräumung der Dauerausstellung “Kulturen in Asien und Ozeanien” gezeigt sowie die Kunstintervention von Deneth Piumakshi Veda Arachchigemit dem Titel “Self-Portrait as Restitution – from a feminist point of view.” vorgestellt. In Form eines Gesprächs wurden jeweils die Themenblöcke “Bezug zu Museen”, “Sicht auf ethnographische Sammlungen” und “Geschichte erleben” besprochen (Leitfadengestütztes qualitatives Interview).
Zweck der Installation im Bernischen Historischen Museum ist es, den Diskurs zum Thema Dekolonialisierung von Museen in der breiten Öffentlichkeit - unter Einbezug von bisher nicht sichtbar ausgeschlossenen sozialen Gruppen - anzuregen.
Die Intervention wurde vom Atelier d’Ici des Living Rooms in Bern durchgeführt. Beim Beschrieb der im Film mitwirkenden Personen respektierten wir das Recht auf Selbstbenennung.
Konzept und Gestaltung
Timo Righetti
Angelina Dungga
Inspiration
Deneth Piumakshi Veda Arachchige
Raumgestaltung
Anaïs Beutler
Timo Righetti
Raumaufbau
Anaïs Beutler
Angelina Dungga
Anna-Pierrina Godenzi
Daniel Kubioka
Michael Pfister
Dominique Sautter
Timo Righetti
Rudolf Wegmüller
Filmproduktion
Timo Righetti
Tjefin Fankhauser - Sound Design
Hemedi Nshimirimana - Color Grading
Übersetzung
Timo Righetti
Angelina Dungga
Stimmen im Film
Anonym
Aprina Murwanti, Museum Consultant and Art Educator
Farah Wardani, Art Curator
Gesya Thorax
Izabel Barros, Historian
Marc Griesshammer, Museumsleiter Stadtmuseum Aarau
Megawati Zaugg
Melissa Moningka, Mitbürgerin
Meret Haudenschild
Nguyen Ly
Nimal Bourloud
Pablo Lobsang
Robin Sobari
Rohit Jain, Sozialanthropologe und Aktivist
Safitri Brönnimann
Suryani
Usha Laksamana
Wid, Pilates Instructor, Bali
Bern
Schweiz
Dungga Winterleitner Workshops und Kurse (DWWUK), Bern, Schweiz